Rede

von der Kunsthistorikerin Frau Dr. Gabriele Himmelmann, anlässlich der Vernissage von Angela Zander-Reinert
am 30.06.2022

Angela Zander-Reinert

AZRs Thema - dies gilt zumindest für diese Ausstellung - sind Waldlandschaften und vornehmlich die Tiere, die den Wald bevölkern (Hirsche, Wildschweine, es sind auch ein paar Füchse zu sehen).

Die Natur in ihrer direkten Umgebung (Duvenstedter Brook) ist ein Kraftquell für die Künstlerin - und sie ist auch ihr Motiv. Sie haben aber gesehen, dass die Werke kein naturalistisches Abbild der Natur geben - es sind Darstellungen, über die sich die subjektive Wahrnehmung der Künstlerin zum Ausdruck bringt. Das Gesehene wird überformt von den Empfindungen, die sich einstellen, wenn eine bestimmte Landschaft betrachtet wird.

Das sagt sich natürlich erstmal so leicht - die Frage, die sich anschließt, ist: Mit welchen Mitteln gestaltet Frau Zander-Reinert das Gesehene, um es zum Ausdruck einer Empfindungswelt werden zu lassen?

Ganz entscheidende Funktion kommt der Farbe zu. Sie sehen, die Farbe beschreibt nicht mehr zwingend den Gegenstand, sondern erhält eigenständige Gestalt als emotionaler Wert im Bild.

In dem Bild "Heiliger Hain" am Eingang sehen Sie intensiv türkisfarbene Baumstämme, die die Bildfläche rastern und sich als eindringliche Farbwerte unabhängig von der Gegenstandsfarbe behaupten. Das Türkis steht in dissonantem Kontrast zu dem farbintensiven kühlen Violett und Pink - wir erleben diese Farbbegegnung als ungeheuer dynamisch, dramatisch, heftig - über die Farbe erleben wir die Kraft der Natur. Zander-Reinert gibt uns keinen inhaltlichen Bericht über Naturkräfte, sondern sie macht sie im Bild für uns anschaulich erlebbar über die energievolle Begegnung der Farben.

Diese bildliche Strategie setzt sich weiter fort; sie zeigt sich u.a. auch bei den Birken-Bildern - Zander- Reinert sagt, dass sie auf ihren Streifzügen durch die norddeutsche Landschaft immer wieder wahrgenommen hat, dass die weißen Stämme der Birken das Licht auf besondere Weise reflektieren und teilweise leuchtend Pink und Rosa erscheinen. Diese starkfarbigen Reflexe, die sich gegen das Grün des Laubes behaupten, künden einmal mehr von der Energie der Natur, ihrer zyklischen Erneuerung und ihrer dynamischen Kraft.

Sehr beeindruckt hat mich auch das Bild des Hirschen in dem kleinen Wartezimmer. Der König des Waldes mit seinem mächtigen Geweih hebt den Kopf zu einem kraftvollen Röhren, aber in dem eindringlichen, alarmistischen Rot destilliert sich auch eine Erfahrung des Schmerzes und der Hilflosigkeit, die in krassem Gegensatz zu der machtvollen Gebärde des Tieres steht. Aber gerade aus dieser Dissonanzerfahrung bezieht das Bild seine Intensität.

Jetzt haben wir viel über die Farbe gesprochen - wir sollten uns einmal der Komposition zuwenden und schauen, welchen Anteil sie an der Bildwirkung hat.

Unübersehbar ist, dass Zander-Reinert vielfach einen ungewöhnlichen Fokus auf die Waldlandschaft hat. Zumeist zeigt sie nur die Stämme der Bäume, die die Bildfläche gliedern, ihr einen eigenen Rhythmus und eine Struktur geben.

Auffällig bei den "Winterbäumen" ist, dass die Stämme sich über die gesamte Fläche verästeln - wir aber, wenn überhaupt, nur einen kleinen Teil der Krone sehen. Vielleicht ist der kahle Baum im Winter ein Motiv, bei dem sich bei den Betrachtenden sofort eine melancholische Empfindung breitmacht - um die es Zander-Reinert aber nicht geht. Indem sie die dominante Präsenz des Stammes im Bild kompositorisch herausstellt, zeigt sie die innere Kraft der Bäume auch in der winterlichen Erstarrung. Sie sagt: "Bäume, Baumstämme haben mich schon immer interessiert, diese mächtigen unverrückbaren Stämme. Dieser ist im Winter tief in der Erde verwurzelt und holt sich so seine Kraft."

Sie sehen, es ist, wie beschrieben, einmal die Energie der Farbbegegnung, die uns die Vitalkraft der Natur beschreibt - es ist aber auch die reflektierte Komposition, über die die Erneuerungskräfte anschaulich werden.

Im Bild "Duvenstedter Brook. Unterholz" wird dies auch deutlich - diesmal, indem Zander-Reinert uns in der oberen Bildhälfte Einblick in die Waldlandschaft gewährt - uns in der unteren Bildhälfte allerdings ins Unterholz führt. Wir haben den Eindruck eines geheimnisvollen Lebens, von Biotopen, die vollkommen unabhängig von den Menschen in ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten existieren - so, wie das Unterholz bei Nacht den Wildschweinen gehört, die Sie auf etlichen anderen Bildern sehen. Das Kraftvolle, Ungestüme vermittelt sich bei diesen Darstellungen kompositorisch darüber, dass die Tiere zu gewaltig scheinen für das Bildgeviert - sie sprengen im wahrsten Wortsinn den Rahmen.



Emile Zola sagt: "Der Künstler setzt sich in direkten Kontakt mit der Natur, sieht sie auf seine Weise, ist von ihr durchdrungen, und schickt sodann ihre Lichtstrahlen zurück, die er wie ein Prisma, entsprechend seiner Natur, bricht und färbt."

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